Interview mit der Künstlerin Sandra Prem

Kunstwerk Ausschnitt im HG
September 30, 2024

Obwohl Sandra Prem in Bayern zuhause ist und ich seit 2019 an der Ostsee lebe, haben wir uns seit unserer gemeinsamen Zeit an der Designschule München (ehemals Deutsche Meisterschule für Mode) nie aus den Augen verloren. Da Sandra neben ihrer Arbeit als Artdirector immer den Wunsch hatte, sich auch in anderen Bereichen künstlerisch auszudrücken, und daher die Malerei für sich entdeckte, freue ich mich, sie heute hier auf kunst.jetzt näher vorzustellen.

DORIS | KUNST.JETZT: Sandra, es ist so schön, dich wiederzusehen – auch wenn es diesmal nur digital über FaceTime ist! Es fühlt sich trotzdem an, als wäre keine Zeit vergangen.

SANDRA : Absolut! Das Schöne ist ja, dass wir uns nie wirklich aus den Augen verloren haben, auch wenn du inzwischen an der Ostsee lebst und ich hier in der Oberpfalz. Ich finde es toll, dass wir trotz der Entfernung so in Verbindung geblieben sind.

DORIS: Das stimmt! Die Technik macht’s möglich. Und jetzt haben wir endlich die Gelegenheit, für den Blog zusammenzuarbeiten. Es fühlt sich irgendwie an wie damals in München, nur dass wir jetzt über ganz andere Dinge sprechen.

SANDRA: Ja, statt Modegrafik und wie man einen Pfad in Photoshop erstellt, sind es jetzt Kunstausstellungen, inspirierende Menschen und gemeinsame Ideen. Aber ich glaube, der kreative Austausch ist derselbe geblieben. Es ist so schön, dass wir das heute teilen können.

DORIS: Das bringt mich direkt zu deiner Arbeit. Die figürliche Darstellung ist nach wie vor das Herzstück deiner Kunst. Was fasziniert dich daran so sehr?

SANDRA: Für mich ist die Figur eine Art Konstante in meinem Schaffensprozess. Sie ist wandelbar und zeitlos zugleich. Der Ursprung bzw. die Inspiration der Figur stammt natürlich auch aus den Aktzeichnungen und Modeillustrationen, mit denen wir während unseres Studiums in Kontakt kamen. Man kann sie immer wieder neu interpretieren, und doch bleibt sie vertraut. Diese Vielseitigkeit begleitet und beeinflusst mich auf meinem kreativen Weg seit Jahren und inspiriert mich immer wieder zu neuen Abenteuern.

DORIS: Und diese Abenteuer führten dich zu so unterschiedlichen Inspirationsquellen – von Schiele über Elizabeth Peyton bis zur alten japanischen Tuschemalerei. Wie kommt es, dass so viele verschiedene Stile in deiner Arbeit ihren Platz finden?

SANDRA: Ich glaube, es ist eine Mischung aus all den Eindrücken, die ich über die Jahre gesammelt habe. Schiele gibt mir diese Ausdruckskraft, die ich in meinen Figuren umsetzen will, während die japanische Tuschemalerei Suibokuga mit ihrer feinen, reduzierten Technik mich in eine ganz andere, meditative Richtung zieht. In meinen Arbeiten versuche ich, diese Gegensätze miteinander zu verbinden. Diese Mischung aus kraftvollen Farben, zarten Linien und den Freiräumen, die ich oft lasse, schafft eine Spannung, die mich fasziniert.

DORIS: Deine Technik mit dem Farbauftrag trägt also maßgeblich zur Dynamik deiner Bilder bei?

SANDRA: Ja, der Farbauftrag ist für mich ein Mittel, um Spannung zu erzeugen. Ich liebe es, mit Pinsel oder Spachtel zu arbeiten, die Farbe in dicken Schichten aufzutragen und teilweise wieder Stellen freizulassen, wo Vorzeichnungen aus Bleistift oder Kohle durchscheinen. Es entsteht eine Art Kaleidoskop aus dichten und skizzenhaften Partien, das dem Portrait Leben einhaucht.

DORIS: Du hast eine sehr bewusste Verbindung zu der Stadt New York, wo du einige Zeit an der Art Students League verbracht hast. Wie hat dich das künstlerisch geprägt?

SANDRA: New York ist eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Die Stadt hat eine ganz eigene Energie, die sich auf meine Arbeit ausgewirkt und mich geprägt hat. Besonders in der Art Students League, bei Künstlern wie Mary Beth McKenzie und Joseph Peller, habe ich gelernt, die Spontanität in meiner Malerei zuzulassen und den Moment mit der Wirkung der Farbe einzufangen. Diese Erfahrungen haben mich nachhaltig beeinflusst, besonders in der Art, wie ich meine Portraits entwickle.

DORIS: Wie verbindest du diese Spontanität mit der Geduld, die Techniken wie Öl oder Tusche erfordern?

SANDRA: Das ist genau das Spannende daran. Während die Tusche mit einer gewissen Geschwindigkeit aufgetragen werden muss, da sie sofort vom Papier aufgenommen wird, verlangt das langsame Trocknen von Ölfarbe eine ganz andere Herangehensweise. Die Tuschemalerei führt zu einer Art Minimalismus und Feingefühl beim Auftragen – jeder Pinselstrich auf Papier ist unwiderruflich. Die Ölmalerei gibt mir die Möglichkeit, subtile Farbübergänge zu erzeugen, Details fein auszuarbeiten und gleichzeitig expressiv und pastös zu arbeiten. Diese verschiedenen Geschwindigkeiten und Herangehensweisen führen dazu, dass sich die Werke ständig im Spannungsfeld zwischen Eile und Geduld bewegen – und das spiegelt sich auch in den Portraits wider.

DORIS: Du sprichst oft von der Verbindung zwischen deinen Portraits und dem inneren Wesen des Betrachters. Was möchtest du mit deinen Werken ausdrücken?

ICH MÖCHTE, DASS MEINE PORTRAITS NICHT NUR DIE ÄUSSERE ERSCHEINUNG, SONDERN AUCH EINEN ASPEKT DES INNEREN WESENS DER MENSCHEN BERÜHREN.

SANDRA: Ich möchte, dass meine Portraits nicht nur die äußere Erscheinung, sondern auch einen Aspekt des inneren Wesens der Menschen berühren. Es geht darum, dass der Betrachter nicht nur schaut, sondern fühlt. Die feinen Farbnuancen und die Dynamik der Komposition sollen etwas in uns ansprechen, was wir oft nicht in Worte fassen können. Jedes Werk wird zu einer einzigartigen Erzählung, die die Energie, den Charakter und die emotionale Tiefe des Motivs eindrucksvoll einfängt. Diese Sensibilität gibt meinen Arbeiten eine zusätzliche Dimension und lässt sie noch intensiver wirken.

DORIS: Das ist wunderschön. Du arbeitest gerade an einer neuen Serie, oder?

SANDRA: Ja, ich arbeite an einer Serie großformatiger Portraits, die diese Gegensätze weiter erforschen. Es wird spannend, wie sich diese Arbeiten entwickeln.

DORIS: Ich bin sicher, dass unsere Leser von KUNST.JETZT begeistert sein werden, mehr von dir zu hören. Es war eine Freude, mit dir dieses Gespräch zu führen, auch wenn es „nur“ über FaceTime war.

SANDRA: Die Freude war ganz meinerseits! Ich hoffe, wir arbeiten bald wieder zusammen. Wer weiß, vielleicht ja mal in einer Ausstellung.

DORIS: Das wäre auf jeden Fall eine großartige Idee.